Gutachten // 2012

Unternehmensbesteuerung in Deutschland

Mit der Unternehmenssteuerreform 2008 liegt die letzte große Steuerreform nur rund drei Jahre zurück. Das deutsche Unternehmenssteuersystem bleibt jedoch trotz bzw. wegen der im Rahmen der Unternehmenssteuerreform 2008 umgesetzten Maßnahmen reformbedürftig. Insbesondere die Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise decken zahlreiche strukturelle Defizite auf.

Die Regierungsparteien CDU, CSU und FDP haben sich im Rahmen ihres Koalitionsvertrags eine Vielzahl von Prüfaufträgen zur Reform der Unternehmensbesteuerung aufgegeben. Mit Ausnahme einzelner, punktueller Korrekturen hat die Bundesregierung bislang jedoch keine nennenswerten steuerpolitischen Reformprojekte auf den Weg gebracht. Von Seiten der Oppositionsparteien liegen im Gegensatz dazu sehr weitreichende steuerpolitische Reformvorschläge vor. Die Reformpakete der Parteien orientieren sich jedoch nicht an den grundlegenden Anforderungen an eine vernünftige Steuerpolitik, wie der Entscheidungsneutralität und Einfachheit der Besteuerung und der Stärkung der Standortattraktivität. Den steuerpolitischen Reformvorschlägen sind daher umfassende Reformkonzepte wie das Konzept der Dualen Einkommensteuer, das Steuerpolitische Programm der Stiftung Marktwirtschaft und das Bundessteuergesetzbuch von Paul Kirchhof gegenüberzustellen. Vor diesem Hintergrund verfolgt die Studie zwei Ziele. Erstens sollen die von Seiten der Parteien des Deutschen Bundestags vorgeschlagenen Steuerreformkonzepte im Hinblick auf die zentralen Ziele der Steuerpolitik beurteilt werden. Um die Konsequenzen der steuerpolitischen Reformüberlegungen auf die steuerliche Attraktivität des Investitionsstandorts Deutschland aufzuzeigen, werden mit Hilfe des Simulationsmodells European Tax Analyzer die Auswirkungen der Reformkonzepte auf die laufende Steuerbelastung der Unternehmen und ihrer Gesellschafter quantifiziert, analysiert und der Steuerbelastung, die mit der Umsetzung der umfassenden Reformkonzepte verbunden wäre, gegenübergestellt.

Die Ergebnisse werden darüber hinaus zum einen in die Entwicklung der Steuerbelastung im Zeitraum 1990 bis 2011 und zum anderen in einen internationalen Steuerbelastungsvergleich der EU-Mitgliedstaaten eingeordnet. Da neben der Höhe der tatsächlich zu entrichtenden Steuerzahlungen auch die Höhe der Kosten der Besteuerung (Planungs-, Befolgungs- und Verwaltungskosten des Fiskus) Einfluss auf die steuerliche Attraktivität des Investitionsstandorts Deutschland hat, werden die steuerpolitischen Reformvorschläge darüber hinaus im Hinblick auf das Kriterium der Einfachheit der Besteuerung diskutiert.

Zweitens zielt die Studie darauf ab, Handlungsempfehlungen für die mittel- und langfristige Reform der Unternehmensbesteuerung in Deutschland zu erarbeiten. Den Kontext bilden dabei die strukturellen Defizite des Status quo der Unternehmensbesteuerung in Deutschland sowie Erkenntnisse aus der Betrachtung der wesentlichen Steuerreformen der vergangenen 20 Jahre. Orientierung bieten darüber hinaus umfassende Steuerreformkonzeptionen von Seiten der Wissenschaft (Duale Einkommensteuer, Steuerpolitisches Programm der Stiftung Marktwirtschaft und Bundessteuergesetzbuch). Neben Aspekten der Standortattraktivität, der Entscheidungsneutralität der Besteuerung und steuersystematischen Überlegungen stehen bei der Beurteilung möglicher Reformmaßnahmen Steuervereinfachungsaspekte im Vordergrund. Zu diesem Zweck werden im Rahmen einer Umfrage unter Steuerberatern, Unternehmensvertretern und Vertretern der Finanzverwaltung eine Reihe konkreter Reformvorschläge im Hinblick auf ihr Steuervereinfachungspotential hinterfragt.

Spengel, Christoph, Lisa Evers, Manuel Halter und Benedikt Zinn (2012), Unternehmensbesteuerung in Deutschland, Eine kritische Bewertung und Handlungsempfehlungen für die aktuelle Steuerpolitik, Stiftung Familienunternehmen, München