Überqualifikation variiert deutlich nach Fächergruppen und Studienleistung

Forschung

Das Risiko einer Überqualifikation von Hochschulabsolventen/-innen variiert deutlich je nach Fachrichtung, Studienleistung und vorangegangenem Arbeitsmarkterfolg.

Während ein hoher Bildungsabschluss gemeinhin als wichtiger Baustein für eine erfolgreiche Berufskarriere gilt, finden einige der gut ausgebildeten Berufseinsteiger/innen in Deutschland keine adäquate Stelle. Eine Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), Mannheim, zeigt nun, dass selbst nach zehnjähriger Berufserfahrung jede(r) siebte Hochschulabsolvent/in in Deutschland überqualifiziert beschäftigt ist, also in einem Job unterhalb des eigenen Bildungsniveaus arbeitet. Das Risiko einer Überqualifikation variiert dabei deutlich je nach Fachrichtung, Studienleistung sowie vorangegangenem Arbeitsmarkterfolg.

Die Analyse basiert auf einer Befragung von Hochschulabsolventen/-innen der Abschlusskohorten 1997 und 2001 (Absolventenpanel des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung). Die Teilnehmer/innen dieser Umfrage wurden ein Jahr, fünf Jahre sowie zehn Jahre nach ihrem Hochschulabschluss zu verschiedenen Aspekten ihrer Berufskarriere befragt. Dabei gaben die Absolventen/-innen zu jedem der drei Zeitpunkte an, welches Qualifikationsniveau ihre aktuell ausgeübte Tätigkeit in der Regel erfordert. Solche Absolventen/-innen, deren Tätigkeit keinen Hochschulabschluss voraussetzt, werden in der Analyse als formal überqualifiziert beschäftigt angesehen.

Zu Beginn der Berufskarriere – also ein Jahr nach dem Abschluss – arbeitet etwa jede(r) sechste Hochschulabsolvent/in in einem Job unterhalb seines/ihres Bildungsniveaus. Mit zunehmender Berufserfahrung verringert sich der Anteil der unterwertig Beschäftigten nur moderat. So ist zehn Jahre nach dem Abschluss noch immer jede(r) siebte Absolvent/in inadäquat beschäftigt. Je nach Studienfach zeigen sich dabei deutliche Unterschiede mit Blick auf das Risiko einer Überqualifikation.

Risiko der Überqualifikation bei MINT-Fächern und Sozialwissenschaften höher

Die inadäquate Beschäftigung ist mit einem Anteil von lediglich vier Prozent bei Absolventen/-innen der Fächer Medizin, Jura und Lehramt am wenigsten verbreitet. Für Absolventen/-innen der sogenannten MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) beläuft sich der Anteil an überqualifiziert beschäftigten Absolventen/-innen hingegen auf zwölf Prozent. Da Fähigkeiten im MINT-Bereich im Kontext der zunehmenden Digitalisierung als wichtiger Impulsgeber für Innovationen angesehen werden, wird oftmals eine Erhöhung der Absolventen/-innenzahlen in diesen Fachrichtungen gefordert.

Die Ergebnisse der Studie deuten darauf hin, dass noch Spielraum dafür besteht, offene Stellen im MINT-Bereich durch eine verbesserte Zuordnung von verfügbaren Absolventen/-innen zu besetzen. "Dennoch zeigen die Zahlen auch, dass eine hohe Nachfrage nach MINT-Absolventen/-innen für eine vergleichsweise niedrige Überqualifikationsrate sorgt. Denn das Risiko der Überqualifikation ist bei den Wirtschaftswissenschaften sowie der Fächergruppe der Sozial- und Kulturwissenschaften mit 26 Prozent beziehungsweise 22 Prozent noch deutlich stärker ausgeprägt", erklärt Dr. Daniel Erdsiek, Wissenschaftler im ZEW-Forschungsbereich "Informations- und Kommunikationstechnologien" und Autor der Studie.

Mit erfolgreichem Start ins Berufsleben auch später seltener überqualifiziert

Die individuelle Studienleistung stellt einen weiteren wichtigen Faktor für eine unterwertige Beschäftigung dar. Bei den Studenten/-innen, die mit ihrer Studiennote zu den besten 25 Prozent ihrer Fächergruppe gehören, findet zu Beginn der Berufskarriere etwa jede(r) Zehnte keine adäquate Beschäftigung. Bei den Studenten/-innen mit einer Note, die innerhalb der schlechtesten 25 Prozent ihrer Fächergruppe fällt, ist hingegen fast jeder Vierte überqualifiziert beschäftigt. "Diese deutlichen Unterschiede verblassen auch nach zehnjähriger Berufserfahrung kaum", sagt Daniel Erdsiek.

Ein erfolgreicher Start ins Berufsleben ist ebenfalls mit der Überqualifikation in späteren Jahren verbunden. Zehn Jahre nach dem Abschluss sind nur neun Prozent der Absolventen/-innen, die zum Berufseinstig adäquat beschäftigt waren, überqualifiziert. Für solche Absolventen/-innen, die zu Beginn ihrer Karriere bereits eine unterwertige Stelle angenommen hatten, liegt die Wahrscheinlichkeit einer Überqualifikation nach zehnjähriger Berufserfahrung hingegen bei 42 Prozent. "Solche Absolventen/-innen könnten vergleichsweise häufig unfreiwillig überqualifiziert sein, weil sie Probleme damit haben, auch nach längerer Arbeitsmarkterfahrung eine adäquate Stelle zu finden. Einige dieser Absolventen/-innen könnten sich aber auch aufgrund ihrer Präferenzen freiwillig für eine weniger anspruchsvolle Beschäftigung entschieden haben", so Daniel Erdsiek.

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Dr. Daniel Erdsiek, Telefon 0621/1235-356, E-Mail erdsiek@zew.de