Stromsperren drohen häufig ALG-II-Empfängern und verschuldeten Haushalten

Forschung

Familien mit Kindern sind überproportional häufig von der Androhung einer Stromsperre betroffen.

Bei rund 330.000 Haushalten in Deutschland ist offiziellen Angaben zufolge im Jahr 2016 die Stromversorgung wegen Zahlungsrückständen gesperrt worden. Familien mit Kindern sind überproportional häufig von der Androhung solcher Stromsperren betroffen. Auch Empfänger/innen von Arbeitslosengeld (ALG) II geraten oft in Zahlungsrückstand bei der Stromrechnung, wodurch es bei diesen Haushalten häufiger zur Androhung oder tatsächlichen Umsetzung einer Stromsperre kommt als bei anderen Haushalten. Menschen mit geringer Bildung und Alleinstehende haben geringe Chancen, eine drohende Stromsperre zu verhindern. Eine tatsächliche Stromsperre wird zudem wahrscheinlicher, wenn Haushalte verschuldet sind.

Zu diesen zentralen Ergebnissen kommt eine Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), Mannheim, in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Caritasverband e. V. (DCV).

Die Studie untersucht, welche Gründe das Auftreten von Zahlungsrückständen beim Stromversorger und daraus resultierende Stromsperren in besonders dafür anfälligen Haushalten haben. Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, dass das Einkommen zwar eine große Rolle spielt, Probleme bei der Begleichung der Stromrechnung und Stromsperren aber nicht allein auf niedriges Einkommen zurückzuführen sind. Von großer Bedeutung sind vor allem bestehende Schulden: Gibt eine Person an, Darlehen bedienen zu müssen, so nimmt sowohl die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Zahlungsrückständen beim Stromversorger als auch die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten einer Stromsperre deutlich zu.

Besonders geringe Chancen, eine drohende Stromsperre zu verhindern, haben Personen mit äußerst niedriger Bildung sowie Ein-Personen-Haushalte. „Fehlende Unterstützung bei der Problemlösung durch das familiäre Umfeld und schlechte Bildung spielen eine wichtige Rolle“, erklärt Dr. Peter Heindl, Senior Researcher im ZEW-Forschungsbereich „Umwelt- und Ressourcenökonomik, Umweltmanagement“ und Mitautor der Studie.

Androhung einer Stromsperre trifft häufig Familien mit Kindern

Dass Familien mit Kindern überproportional häufig von der Androhung einer Stromsperre betroffen sind, liegt daran, „dass größere Haushalte die gesetzliche Mahnschwelle zur Androhung einer Stromsperre von 100 Euro schneller überschreiten als kleinere Haushalte“, so Heindl. Bei Personen, die schon länger Leistungen der Grundsicherung beziehen und bei Personen mit Migrationshintergrund ist eine leicht geringere Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von Stromsperren zu beobachten.

„Um zu vermeiden, dass es tatsächlich zu Stromsperren kommt, scheint eine zielgenaue Sozial- beziehungsweise Schuldnerberatung am besten geeignet. Diese kann den Betroffenen konkrete Handlungswege zur Abwendung oder Aufhebung einer Stromsperre aufzeigen“, fasst Peter Heindl zusammen.

Stromsperren sind nur unter strengen Vorgaben möglich

Für die Studie wurden 2.621 Fragebögen ausgewertet. Die Daten wurden im Rahmen einer deutschlandweiten Stichtagserhebung bei den Beratungsstellen der Allgemeinen Sozialberatung des Deutschen Caritasverbandes e. V. (DCV) erhoben. Diese Beratungsstellen sind ein niedrigschwelliges Beratungsangebot für Menschen in Not.

Den Strom zu sperren, ist aus Gründen des Verbraucherschutzes nur bei Einhaltung strenger Vorgaben möglich. Entsprechend der Stromgrundversorgungsordnung (StromGVV § 19, Abs. 2) darf ein Versorger die Unterbrechung der Stromversorgung erst androhen, wenn Zahlungsrückstände von mindestens 100 Euro bestehen. Zur Begleichung der ausstehenden Forderungen muss dann eine Frist von vier Wochen gewährt werden. Erst danach darf die Versorgungsunterbrechung schriftlich angekündigt und nach einer Frist von drei Tagen schließlich umgesetzt werden.

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Dr. Peter Heindl, Telefon 0621/1235-206, E-Mail peter.heindl@zew.de