Die Straße wird im Vergleich zu Schiene, Wasser und Luft wettbewerbsfähiger

Nachgefragt

Auf Deutschlands Straßen bahnt sich eine Revolution an: In absehbarer Zukunft sollen Autos ausschließlich von Computern gesteuert werden. Bereits heute sind auf den Straßen der Bundesrepublik Fahrzeuge unterwegs, die selbständig die Spur halten können. Unlängst hat auch das US-Unternehmen Google ein selbststeuerndes Fahrzeug vorgestellt. Zu den möglichen Potenzialen autonomen Fahrens sowie den Folgen für Umwelt und Gesellschaft äußert sich ZEW-Umweltökonom Wolfgang Habla.

Durch autonomes Fahren soll eine bessere Auslastung von bestehenden Straßen und insbesondere Autobahnen möglich sein. Wird sich autonomes Fahren umweltschonend auswirken?

Ja und nein. Einerseits kann der Sicherheitsabstand zwischen autonomen Fahrzeugen im Vergleich zu heute verringert werden, da ein Computer schneller auf Bremsmanöver des vorausfahrenden Autos reagieren kann als ein Mensch. Es wird auch erwartet, dass der Verkehr beim autonomen Fahren besser fließt, wodurch es zu weniger Staus und schädlichen Emissionen sowie Lärm käme. Andererseits ist nicht klar, ob nicht mehr Fahrzeuge auf unseren Straßen unterwegs sein werden als heute. Im Transportsektor macht die fahrende Person zirka 50 Prozent der gesamten Kosten aus. Wenn Lastkraftwagen in Zukunft keinen menschlichen Input mehr benötigen, dann wird die Straße im Vergleich zu Schiene, Wasser und Luft erheblich wettbewerbsfähiger, und das Verkehrsaufkommen könnte stark steigen. Außerdem ist autonomes Fahren auch für den Personenverkehr interessant. Ältere Menschen, Menschen ohne Führerschein und Menschen mit körperlichen Einschränkungen stellen völlig neue Käuferschichten für autonome Fahrzeuge dar.

Was bedeutet diese Trendwende für die Verkehrsplanung?

Autonomes Fahren ist technisch umso anspruchsvoller, je mehr Verkehrsteilnehmer miteinander interagieren. Deshalb werden wir im Stadtverkehr wohl viel später selbstfahrende Autos beobachten als beispielweise auf der Autobahn. Die Verkehrsplanung wird gerade in den ersten Jahren, wenn die Fahrzeuge vielleicht noch nicht jedes Hindernis mit 100%iger Sicherheit erkennen können, darauf achten müssen, dass die Verkehrsführung übersichtlich genug ist und es eine klare Trennung zwischen Fahrzeugen und anderen Verkehrsteilnehmern wie Fußgängern und Radfahrern gibt. Und falls das Verkehrsaufkommen wirklich steigt, müssen zusätzliche Kapazitäten geschaffen werden.

Gegenwärtig bereitet die Politik autonomen Fahrzeugen den rechtlichen Weg: Sind unser Werte- und unser Rechtssystem ausreichend auf autonom fahrende Autos vorbereitet?

Im Grunde stellen sich drei Fragen, auf die unser Rechtssystem vorbereitet werden muss: Haftet der Fahrzeughersteller oder die Insassen für Unfälle, wenn sie passieren? Müssen Insassen aktiv in die Steuerung eingreifen können? Und schließlich: Wie soll das Auto programmiert sein, wenn ein Unfall und ein damit einhergehender Personenschaden nicht zu vermeiden sind? In letzterem Fall wird häufig über Dilemmasituationen diskutiert, die auch moralische und ethische Fragen aufwerfen. Konkret geht es um Situationen wie diese: Ein autonomes Fahrzeug trifft auf ein unerwartetes Hindernis. Wenn es nicht ausweicht, gefährdet es das Leben der Insassen. Wenn es ausweicht, gefährdet es unbeteiligte Fußgänger/innen. Wie soll das Fahrzeug entscheiden? Darf es überhaupt ausweichen und eigentlich unbeteiligte Fußgänger/innen mit hineinziehen? Bei solchen Fragen klaffen unter Umständen unser moralisches Empfinden und die rechtliche Handhabung auseinander – und es wird dazu noch viele Diskussionen geben.

Der Verkehrsausschuss im Bundestag kritisiert, dass das Gesetz die bestehenden Risiken auf den/die Fahrer/in abwälzt. Wo sind rechtliche Fallstricke?

Das Gesetz belässt die letzte Verantwortung bei den Fahrenden. Auch wenn diese "dem technischen System in bestimmten Situationen die Fahrzeugsteuerung übergeben können", werden sie während der Fahrt nicht durch das System ersetzt. Die Fahrerin oder der Fahrer müssen immer noch eingreifen können, wenn sie oder er vom System dazu aufgefordert wird oder das System nicht in der Lage ist, alle Fahrfunktionen zu übernehmen. In diesem Gesetz geht es aber um das hoch- oder vollautomatisierte Fahren, nicht um das sogenannte autonome Fahren, bei dem alle im Fahrzeug befindlichen Personen Passagiere, aber nicht mehr Fahrzeugführer sind. Beim autonomen Fahren läge die Verantwortung wohl doch bei Fahrzeug oder Hersteller, aber so weit sind wir noch nicht.

Ein Blick in die europäischen Nachbarländer: Wird dort bereits autonom gefahren?

Noch sind in keinem Land der Welt autonom fahrende Fahrzeuge unterwegs, die komplett ohne menschlichen Input funktionieren. Auch bei den berühmten Testfahrten in Kalifornien muss immer noch ein Mensch in das System eingreifen können. Allerdings bahnt sich jetzt schon ein Wettbewerb zwischen den Ländern hinsichtlich der bestmöglichen Ausgestaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen für autonomes Fahren an. Gerade Länder, in denen die Autoindustrie eine starke Rolle spielt, wie die USA, Deutschland und Schweden, sind stark daran interessiert, dass diese Zukunftstechnologie durch Erprobung auf heimischen Straßen möglichst bald serienreif wird. Die Bundesregierung hat kürzlich ein Strategiepapier veröffentlicht, das vorsieht, dass Deutschland zu einem "Leitmarkt" für automatisierte Fahrzeugtechnologien werden soll.