Die EZB kann 2019 ihre Unabhängigkeit von der Politik unter Beweis stellen

Kommentar

Prof. Dr. Friedrich Heinemann leitet den ZEW-Forschungsbereich „Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft".

Erwartungsgemäß hat der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) auf seiner ersten geldpolitischen Sitzung in diesem Jahr keine Zinsänderungen vorgenommen. Prof. Dr. Friedrich Heinemann, Leiter des Forschungsbereichs „Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft“ am ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim erklärt dazu:

„Es scheint, als ob der EZB ein entscheidungsloses Jahr der Passivität bevorsteht. Dieser Eindruck täuscht. Zwar ist absehbar, dass eine erste Zinserhöhung angesichts der schwächeren Konjunktur auf das Jahr 2020 verschoben wird. Auf anderen Gebieten wird die EZB jedoch wichtige Detailentscheidungen treffen müssen.

Erstens stellt sich die Frage, ob sie den Not leidenden Banken in Italien erneut durch generöse Langfristkredite (‚Longer-term refinancing operations‘, LTRO) unter die Arme greifen will. Zweitens sollte die EZB jetzt eigentlich ihren Anteil an italienischen und spanischen Staatsanleihen im Wertpapierbestand rasch herunterfahren, um die starken Abweichungen vom neuen EZB-Kapitalschlüssel zu korrigieren. Und drittens müsste der Bankenaufsichtszweig der EZB den Druck zur Vorsorge für faule Kredite in den italienischen Bankbilanzen erhöhen.

Jenseits der klassischen Geldpolitik gibt es somit für 2019 ausreichend Felder, auf denen EZB-Präsident Mario Draghi bis zu seinem Ausscheiden im November 2019 die Unabhängigkeit der Zentralbank von Politik und Europawahltermin unter Beweis stellen könnte.“