Deutsche Wirtschaft kämpft mit angespannter Situation bei Fachkräften

Forschung

Rund 200.000 Stellen sind in den innovationsrelevanten Sektoren der deutschen Wirtschaft zuletzt unbesetzt geblieben.

Für die Unternehmen in Deutschland ist die Fachkräftesituation weiterhin angespannt. Im Jahr 2017 blieben in den innovationsrelevanten Sektoren der Wirtschaft rund 200.000 Stellen unbesetzt. Das sind 18 Prozent aller offenen Stellen insgesamt. Nur verspätet oder nicht mit dem gewünschten Personal besetzt werden konnten etwa 360.000 Stellen oder 33 Prozent aller offenen Stellen. Der Fachkräfteengpass betrifft dabei nicht nur akademische, sondern auch berufliche Qualifikationen. Gut 535.000 Stellen konnten Deutschlands Unternehmen hingegen wie geplant besetzen. Bei den Innovationsausgaben hat die deutsche Wirtschaft im Jahr 2017 um 4,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zugelegt. Der Umsatz mit neuen Produkten konnte gar um 14,5 Prozent gesteigert werden.

Zu diesen zentralen Ergebnissen kommt die aktuelle Erhebung des ZEW – Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim zum Innovationsverhalten der deutschen Wirtschaft im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). Die Erhebung wird seit 1993 in Zusammenarbeit mit dem Institut für Angewandte Sozialwissenschaft (infas) und dem Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) durchgeführt.
 
Bundesforschungsministerin Anja Karliczek sagt anlässlich der Veröffentlichung der Innovationserhebung: „Deutsche Unternehmen sind bei Forschung, Entwicklung und Innovation ganz vorne mit dabei. Sie haben 2017 deutlich mehr in diese Bereiche investiert als in den Vorjahren. Das ist wichtig, denn so sichern wir den Wohlstand in unserer Gesellschaft. Und wir sorgen dafür, dass wir die Beschäftigten und besonders kleine und mittlere Unternehmen mitnehmen. Mit der nationalen Weiterbildungsstrategie der Bundesregierung bereiten wir dafür den Weg. Wir unterstützen Erwerbstätige dabei, ihre Kompetenzen aktuell zu halten, sie anzupassen und fortzuentwickeln. Denn neben Investitionen in Forschung und Innovationen ist die Weiterbildung von Fachkräften der Schlüssel zum Erfolg.“
 
Im Jahr 2017 hatten 62 Prozent der Unternehmen in Deutschland offene Stellen ausgeschrieben. In der Gruppe der sogenannten Innovatoren – also der Unternehmen, die Produkt- oder Prozessinnovationen eingeführt haben – ist dieser Anteil mit 70 Prozent sogar noch deutlich höher. „Die Innovatoren in Deutschland haben allerdings auch weniger Probleme, offene Stellen neu zu besetzen“, erklärt Dr.  Christian Rammer, stellvertretender Leiter des ZEW-Forschungsbereichs „Innovationsökonomik und Unternehmensdynamik“ sowie Projektleiter der ZEW-Innovationserhebung.

Ausgaben für Innovationen erneut gestiegen

Innovatoren, die im Jahr 2017 offene Stellen zu besetzen hatten, haben häufiger nach akademisch qualifiziertem Personal gesucht als Unternehmen, die keine Produkt- oder Prozessinnovationen eingeführt haben. Zugleich waren Innovatoren bei der Personalsuche aber auch stärker auf berufliche, als auf akademische Qualifikationen aus. 16 Prozent der Innovatoren hatten offene Stellen im Bereich Informatik, Mathematik und Statistik ausgewiesen, 28 Prozent im Bereich anderer Ingenieur- und Naturwissenschaften und 19 Prozent im Bereich anderer akademischer Abschlüsse.
 
Die Innovatorenquote unter den Unternehmen der deutschen Wirtschaft lag 2017 bei 36 Prozent und damit fast exakt auf dem Niveau des Vorjahreswerts. Insgesamt zählten knapp 107.000 Unternehmen zur Gruppe der Innovatoren.
 
Die Ausgaben für Innovationen in der deutschen Wirtschaft sind im Jahr 2017 auf 166,9 Milliarden Euro gestiegen und haben sich damit im Vergleich zum Vorjahr (2016: 159,4 Milliarden Euro) erneut erhöht. „Der Zuwachs hat die Planzahlen deutlich übertroffen und deutet auf ein verbessertes Innovationsklima im Jahr 2017 hin“, sagt Christian Rammer. Für Frühjahr und Sommer 2018 hatten die Unternehmen in Deutschland einen weiteren merklichen Anstieg der Innovationsausgaben um 3,4 Prozent auf dann 172,5 Milliarden Euro geplant. Für 2019 ist ein moderater Zuwachs um zwei Prozent auf 175,9 Milliarden Euro vorgesehen.
 
Mit Blick auf die einzelnen Branchen sind die Innovationsausgaben im Fahrzeugbau mit 52,4 Milliarden Euro insgesamt am höchsten und auch höher als in den beiden nächstfolgenden Branchengruppen zusammen (Elektroindustrie: 21,4 Milliarden Euro, Chemie- und Pharmaindustrie: 19 Milliarden Euro). Erstmals seit vielen Jahren sind die Innovationsausgaben im Fahrzeugbau 2017 aber nicht weiter gestiegen.

Mehr Umsatz mit Marktneuheiten

Im Vergleich haben kleine und mittlere Unternehmen (KMU) ihre Innovationsausgaben im Jahr 2017 mit 6,4 Prozent überdurchschnittlich stark erhöht, während Großunternehmen ihre Innovationsausgaben „nur“ um 4,3 Prozent nach oben geschraubt haben. „Für die Jahre 2018 und 2019 wird sich die positive Entwicklung bei den KMU nicht fortsetzen. In beiden Jahren sollen die Ausgaben um jeweils zwei Prozent gesenkt werden“, sagt Christian Rammer.
 
Der Anteil der Innovationsausgaben am Umsatz der deutschen Wirtschaft, die sogenannte „Innovationsintensität“, hat im Jahr 2017 mit 3,1 Prozent einen neuen Spitzenwert erreicht. Mit 4,0 Prozent weisen Großunternehmen dabei einen erheblich höheren Wert auf als KMU mit 1,5 Prozent. Am innovationsintensivsten ist die Elektroindustrie (10,6 Prozent), gefolgt vom Fahrzeugbau (9,3 Prozent), der Chemie- und Pharmaindustrie (8,9 Prozent) sowie den technischen Dienstleistungen (8,0 Prozent).
 
Bemerkenswert ist, dass die Unternehmen der deutschen Wirtschaft im Jahr 2017 mit Produktinnovationen einen Umsatz von insgesamt 822 Milliarden Euro erzielten – ein kräftiges Plus um 14,5 Prozent, verglichen mit dem Vorjahr. Mit Marktneuheiten beziehungsweise Produktinnovationen, die zuvor noch von keinem anderen Unternehmen im jeweiligen Absatzmarkt angeboten wurden, setzten die Unternehmen 168 Milliarden Euro um und damit 9,4 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Industrie stemmte mit 550 Milliarden Euro den Löwenanteil des gesamten Neuproduktumsatzes im Jahr 2017. Getragen wurde der Neuproduktumsatz zu 85 Prozent von Großunternehmen. Rund ein Drittel des gesamten Umsatzes mit Produktinnovationen entfällt auf den Fahrzeugbau (269 Milliarden Euro).