Mannheim Tax Index
Steuerliche Standortattraktivität in Europa
Der Mannheim Tax Index ist ein Indikator für das effektive Steuerniveau von Unternehmen, da die Besteuerung als ein wichtiger Standortfaktor gilt. Hierbei vergleicht er Länder und Regionen aus steuerlicher Sicht und berücksichtigt dabei alle Steuern auf Gewinne und investiertes Kapital sowie die wichtigsten Regelungen zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage. Somit wird ein umfassendes Bild der Besteuerung gezeichnet, indem zwei generelle Stränge verfolgt werden: die Besteuerung inländischer Unternehmen mitsamt ihren Anteilseignern und grenzüberschreitende Unternehmensinvestitionen. Die Analyse der Besteuerung von Unternehmen ist eine traditionelle Methode, um die steuerliche Attraktivität von Regionen im internationalen Wettbewerb zu vergleichen. Sie konzentriert sich auf die Steuersätze, die von mobilem Kapital und mobilen Unternehmen getragen werden.
Dr. Daniela Steinbrenner
ZEW-ExpertinUnser Index basiert aus zwei Gründen auf den effektiven Steuerbelastungen: Sie sind für die Investitionsentscheidung relevanter als nominale Steuersätze, und sie sind aufgrund ihres aggregierten Niveaus in Bezug auf verschiedene Standorte direkt vergleichbar. Die Betrachtung dieser effektiven Steuersätze im Zeitverlauf liefert eine Intuition über gemeinsame Trends im Steuerwettbewerb und mögliche Interdependenzen zwischen Standorten.
Effektive Steuerbelastung
Die Einigung zur globalen Mindeststeuer im Jahr 2021 hat Bewegung in den internationalen Steuerwettbewerb gebracht. Ein klarer „Wettlauf nach unten“ ist in Europa derzeit nicht mehr zu beobachten. Zwar gab es in den letzten Jahren Körperschaftsteuersenkungen, etwa in Frankreich (von 28 % auf 25 %) und in Österreich (von 25 % auf 23 %), und auch Portugal plant derzeit eine Senkung von 21 % auf 20 %. Diese moderaten Anpassungen deuten jedoch nicht auf eine aggressive Steuerpolitik zur Schaffung von Standortvorteilen auf Kosten hoher Steuermindereinnahmen hin. Gleichzeitig ist mit dem Inkrafttreten der Mindeststeuerrichtlinie in der EU eine Erhöhung der Körperschaftsteuersätze in einigen osteuropäischen Niedrigsteuerländern zu beobachten. So erhöhte Slowenien seinen Steuersatz von 19 % auf 22 %, die Tschechische Republik von 19 % auf 21 %, und Estland plant eine Anhebung des Steuersatzes von 20 % auf 22 % sowie die Abschaffung des reduzierten Steuersatzes von 14 %. Auch eines der wirtschaftlich stärksten europäischen Länder, das Vereinigte Königreich, hat seinen Steuersatz von 19 % auf 25 % erhöht. Dies deutet darauf hin, dass sich in Europa anstelle eines aggressiven Steuerwettbewerbs zunehmend ein moderates Steuerniveau zwischen 20 % und 25 % etabliert. Dieser Trend spiegelt sich auch in den effektiven Durchschnittssteuersätzen der genannten Länder wider, die zwischen 17 % und 25 % liegen und sich damit deutlich über dem Mindeststeuerniveau von 15 % liegen.
In den USA, einer der größten Wirtschaftsmächte der Welt und einem zentralen Handelspartner für Deutschland, zeichnet sich jedoch eine andere Entwicklung ab. Trotz internationaler Bemühungen, den aggressiven Steuerwettbewerbs einzudämmen, ist auch in der zweiten Amtszeit von Donald Trump mit weitreichenden Steuerreformen zu rechnen. Dies wird unter anderem durch den Rückzug der USA aus dem Abkommen über eine globale Mindesteuer deutlich. Bereits in der ersten Amtszeit von Donald Trump führte der „Tax Cuts and Jobs Act“ zu einer Senkung der Effektivsteuerbelastung von 36,5 % auf 27,5 %, was die Position der USA im internationalen Steuerwettbewerb deutlich stärkte. Für seine zweite Amtszeit warb Donald Trump unter anderem mit einer Senkung des föderalen Steuersatzes von 21 % auf 15 %, der vollständigen Anrechenbarkeit der Ertragssteuern auf Bundesstaatenebene auf die föderale Steuer sowie der Einführung von einer Sofortabschreibung für Maschinen. Diese Maßnahmen würden die effektive Steuerbelastung auf 15,7 % senken und die Position der USA im internationalen Steuerwettbewerb erneut erheblich stärken. Trotz der aggressiven Steuersenkungen von fast 20 Prozentpunkten innerhalb eines Jahrzehnts wird das globale Mindeststeuerniveau von 15 % nicht unterschritten.
In den USA wird zur langfristigen Kompensation des zu erwartenden Haushaltsdefizits derzeit stark auf positive Investitionseffekte gesetzt. Bei drastischen Senkungen der Effektivsteuerbelastung ist es jedoch fraglich, ob die dadurch ausgelösten Investitionsanreize die entstehenden Steuermindereinnahmen langfristig kompensieren können. Angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Lage in Europa, die von niedrigen Wachstumsraten, Inflation, und angespannten öffentlichen Haushalten geprägt ist, erscheint der europäische Weg mit einer Reduzierung des Steuerwettbewerbs und einer Stabilisierung der effektiven Steuerbelastung zielführend. Auch für Deutschland ist die aktuelle Entwicklung in Europa vorteilhaft. Mit einer Effektivsteuerbelastung von 28,5 % im Jahr 2024 liegt Deutschland zwar fast 10 Prozentpunkte über dem EU-Durchschnitt. Aufgrund des sich zunehmend etablierenden Steuerniveaus zwischen 20 % und 25 % bietet sich für Deutschland die Möglichkeit, mit einer moderaten Anpassung der Steuerlast im internationalen Steuerwettbewerb zu bestehen, ohne massive Steuermindereinnahmen hinnehmen zu müssen.
Effektivsteuerbelastungen im Ländervergleich
Die Möglichkeit und die Notwendigkeit, die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands durch Steuerreformen zu verbessern, wurde auch von der Ampelkoalition erkannt. Sie hat mehrere Expertenkommissionen eingesetzt, um Vorschläge zur Verbesserung der Besteuerung in Deutschland zu erarbeiten. Unter anderem der Vorschlag der Expertenkommission „Vereinfachte Unternehmensteuer“, die Gewerbesteuer zu vereinfachen, könnte zu einer Annäherung an ein international wettbewerbsfähiges Niveau von 25 % führen. Im Rahmen dieser Gewerbesteuerreform sollte zum einen die Abzugsfähigkeit von Zinsen erhöht und zum anderen die Steuerbelastung der Unternehmen durch Anrechnung eines Teils der Gewerbesteuer auf die Körperschaftsteuer auf 25 % gesenkt werden. Eine generelle Senkung der Körperschaftsteuer wird mit Blick auf die globale Mindestbesteuerung kritisch gesehen. Durch die vorgeschlagenen Reformen bei der Gewerbesteuer würde die Effektivsteuerbelastung in Deutschland auf 23,3 % sinken und damit auf das Steuerniveau von Frankreich und dem Vereinigten Königreich im Mannheim Tax Index zurückkehren.
Devereux-Griffith-Modell
Die Berechnung des Mannheim Tax Index basiert auf dem etablierten investitionstheoretischen Ansatz der britischen Ökonomen Devereux und Griffith (1999, 2003). Hierbei wird unter Berücksichtigung einer Vielzahl steuerlicher Parameter und deren Auswirkungen auf eine hypothetische, zukünftige Investition die effektive Steuerbelastung eines Landes berechnet und steuerlich bedingte Verzerrungen in der Standortwahl aufgezeigt. Hierfür können sowohl die Kapitalkosten und die effektive Grenzsteuerbelastung einer marginalen Investition, die den Umfang einer Investition an einem Standort beeinflusst, als auch die effektive Durchschnittsteuerbelastung einer rentablen Investition berechnet werden.
Die Grafik „Modellstruktur“ zeigt die Struktur der Investition und deren Finanzierung. Für die Berechnung des Mannheim Tax Index wird eine Kapitalgesellschaft des Verarbeitenden Gewerbes unterstellt, die selbst oder durch eine ausländische Tochtergesellschaft eine Investition in eine vorgegebene Kombination diverser Wirtschaftsgütern tätigt. Das hypothetische Investitionsvorhaben besteht zu gleichen Teilen aus immateriellen Wirtschaftsgütern, Industriegebäuden, Maschinen, Finanzanlagen und Vorratsvermögen. Dabei werden auch unterschiedliche Wege der Finanzierung berücksichtigt. Die Finanzierungsquellen sind, in der Reihenfolge ihrer Gewichtung, einbehaltene Gewinne, Fremdkapital und neues Beteiligungskapital.
Daten
Bitte nachfolgende Zitierung nutzen:
Spengel, C., Heckemeyer, J., Nicolay, K., Gaul, J., Gundert, H., Spix, J., Steinbrenner, D., Weck, S., Wickel, S. (2025), Mannheim Tax Index Update 2024 - Effective Tax Levels using the Devereux/Griffith Methodology, MannheimTaxation Project, Mannheim.
Zugang zu den Daten:
Der Mannheim Tax Index ermittelt effektive Steuersätze für 27 EU-Staaten sowie das Vereinigte Königreich, Schweiz, Norwegen, Nord-Mazedonien, Türkei, USA, Kanada und Japan für den Zeitraum von 1998 bis 2024. Neben der Unternehmensebene werden auch die Ebene der Anteilseigner sowie grenzüberschreitende bilaterale Investitionen erfasst. Weitere Informationen liegen zum Download vor: