Der Dienstleistungssektor in Deutschland - Abgrenzung und empirische Evidenz

ZEW-Dokumentation Nr. 10-01 // 2010
ZEW-Dokumentation Nr. 10-01 // 2010

Der Dienstleistungssektor in Deutschland - Abgrenzung und empirische Evidenz

Wie hat sich der Dienstleistungssektor in Deutschland in den letzten 40 Jahren entwickelt? Welchen Stellenwert hat er heute und wo ist er im internationalen Vergleich einzuordnen? Wie bedeutsam sind die wissensintensiven Unternehmensdienstleistungen (KIBS) sowie die IKT-Dienstleistungen gemessen am Anteil der Gesamtwirtschaft? Diese und weitere Fragen werden in der vorliegenden Dokumentation auf Basis unterschiedlicher Datenquellen in komprimierter Form beantwortet. Die wichtigsten Erkenntnisse stellen sich wie folgt dar:
Die Anzahl der Erwerbstätigen im deutschen Dienstleistungssektor hat sich zwischen 1970 und 2009 auf über 29 Millionen mehr als verdoppelt. In jenem Jahr waren exakt 73 Prozent aller Erwerbstätigen im Dienstleistungssektor beschäftigt. Sein Wertschöpfungsanteil an der Gesamtwirtschaft liegt mit 72,6 Prozent auf ähnlichem Niveau. Beide Werte liegen im Vergleich zu anderen OECD-Ländern im Mittelfeld. Der Anstieg der Arbeitsproduktivität sowohl je Erwerbstätigen als auch je Erwerbstätigenstunde verläuft im Dienstleistungssektor seit der Wiedervereinigung Deutschlands im Vergleich zur Gesamtwirtschaft unterdurchschnittlich. Der Anteil der Dienstleistungsexporte an den Gesamtexporten ist mit 15 Prozent im Ländervergleich als äußerst gering anzusehen. Die jährlich geleisteten Arbeitsstunden je Erwerbstätigen sind seit 1970 in der Gesamtwirtschaft um annähernd 600 Stunden auf etwas weniger als 1.400 Stunden zurückgegangen. Dabei war der Rückgang im Dienstleistungssektor sowohl in absoluten als auch relativen Werten am stärksten und ist unter anderem der überdurchschnittlich hohen Anzahl geringfügig Beschäftigter in jenem Sektor geschuldet. Insbesondere in den Teilsektoren Handel sowie Gastgewerbe ist das Verhältnis von sozialversicherungspflichtig zu geringfügig Beschäftigten sehr niedrig. Dies geht einher mit dem Anstieg des Anteils geringqualifizierter Erwerbstätiger im Dienstleistungssektor. Andererseits hat aber auch der Anteil der von Hochqualifizierten geleisteten Stunden im Dienstleistungssektor im Vergleich zu 1991 zugenommen. Dies trifft auch für das verarbeitende Gewerbe zu, wobei dort im Gegensatz zum Dienstleistungssektor die Nachfrage nach geringqualifizierter Arbeit rückläufig ist.
Im Bereich der wissensintensiven Unternehmensdienstleistungen arbeiteten im Jahr 2007 über zwei Millionen Personen oder mehr als fünf Prozent der Gesamterwerbstätigen. Im Vergleich zu 2001 entspricht dies einer Zunahme von mehr als zehn Prozent. Bei der Gegenüberstellung mit anderen Ländern ist dieser Wert trotz der Zunahme als relativ niedrig einzustufen.
Die Erbringung von Dienstleistungen der Informations- und Kommunikationstechnologie beschäftigte wiederum im Jahr 2007 mehr als 600.000 und somit 1,6 Prozent aller Erwerbstätigen. Diese erwirtschafteten jedoch 3,1 Prozent der Gesamtwertschöpfung. Zwischen 2001 und 2007 war der Anstieg der Erwerbstätigkeit im IKT-Dienstleistungssektor mit annähernd 13 Prozent höher als bei den wissensintensiven Unternehmensdienstleistungen und wesentlich höher als in der Gesamtwirtschaft. Trotzdem liegt Deutschland in diesem Sektor im Vergleich zu Ländern wie Schweden und USA deutlich zurück.
Insgesamt lässt sich der Entwicklung des deutschen Dienstleistungssektors dennoch ein positiver Verlauf bescheinigen. Auch der Einfluss der Finanz- und Wirtschaftskrise des Jahres 2009 fiel im Dienstleistungssektor weit weniger negativ als in der Gesamtwirtschaft aus.

Niebel, Thomas (2010), Der Dienstleistungssektor in Deutschland - Abgrenzung und empirische Evidenz, ZEW-Dokumentation Nr. 10-01, Mannheim

Autoren/-innen Thomas Niebel