Bedeutung von Spitzentechnologien, FuE-Intensität und nicht forschungsintensiven Industrien für Innovationen und Innovationsförderung in Deutschland

ZEW-Dokumentation Nr. 11-01 // 2011
ZEW-Dokumentation Nr. 11-01 // 2011

Bedeutung von Spitzentechnologien, FuE-Intensität und nicht forschungsintensiven Industrien für Innovationen und Innovationsförderung in Deutschland

Die direkte staatliche Förderung von industrieller Forschung und Innovation in Deutschland ist traditionell stark auf sogenannte Spitzentechnologien ausgerichtet. Damit werden Technologien bezeichnet, die gegenüber dem Stand der Technik einen wesentlichen Fortschritt darstellen, deren Entwicklung mit hohen Kosten und hohem Risiko verbunden ist und die ein großes Wachstumspotenzial versprechen. Für hochentwickelte Industrieländer wie Deutschland gilt das Mithalten bei der Entwicklung und frühzeitigen Anwendung von Spitzentechnologien als eine Voraussetzung, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit langfristig zu sichern.

Typische Beispiele für Spitzentechnologien sind heute die Biotechnologie, die Nanotechnologie, Werkstofftechnologien, die optische Technologie, die Luft- und Raumfahrttechnik, die Informationstechnik/Mikroelektronik sowie einzelne Felder der Umwelt-, Energie- und Verkehrstechnologien. Die aktive staatliche Förderung von Spitzentechnologien in Deutschland reicht zumindest bis in die 1950er Jahre zurück. Wichtigstes Instrument sind die Fachprogramme der Bundesministerien, ergänzt um institutionelle Maßnahmen wie z.B. die Einrichtung von staatlichen Forschungsorganisationen zur Durchführung von FuE in den entsprechenden Spitzentechnologiefeldern. Die 2006 veröffentlichte Hightech-Strategie der Bundesregierung setzte diese Tradition fort. Dies gilt auch für die neue Hightech-Strategie 2020, die eine stärkere Verzahnung zwischen den großen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Trends und Herausforderung mit der Entwicklung neuer (Spitzen-) Technologien vornimmt.

Trotz der jahrzehntelangen Förderung von Spitzentechnologien in Deutschland wird von der Innovationsforschung immer wieder ein Zurückbleiben Deutschlands in diesen Technologiefeldern konstatiert und eine noch intensivere Förderung eingemahnt. So wird beklagt, dass die Bedeutung der Spitzentechnologie im deutschen Innovationssystem und innerhalb der deutschen Industrie zu gering sei, da der Strukturwandel in Richtung Spitzentechnologie zu langsam voran ginge. Als Konsequenz würden Wachstumschancen vergeben und die künftige Position Deutschlands im internationalen Technologiewettbewerb geschwächt. So schreibt auch die Expertenkommission Forschung und Innovation in ihrem ersten Gutachten: "Deutschlands Innovationen sind hauptsächlich auf etablierte Industrien ausgerichtet. Wachstumspotenziale in Zukunftsmärkten werden derzeit noch nicht in ausreichendem Maß erschlossen, obwohl die Forschung in Deutschland dafür gute Grundlagen bietet. Forschung und Innovation in der Spitzentechnologie muss stärker gefördert werden."(Expertenkommission Forschung und Innovation).

Vor diesem Hintergrund widmet sich der vorliegende Aufsatz der Frage, welche Bedeutung Spitzentechnologien für das deutsche Innovationssystem haben. Dabei geht es auch um die Beziehung zwischen Spitzentechnologien und anderen Branchen wie z.B. die Nutzung von Spitzentechnologien in der nicht forschungsintensiven Industrie oder in den Dienstleistungen für Innovationen. Eingegangen wird außerdem auf die Nützlichkeit und Praktikabilität einer Unterscheidung zwischen Spitzentechnologien und traditionellen Technologien, wobei auch die FuE-Intensität als zentraler Indikator zur Identifizierung von Spitzentechnologien kritisch betrachtet wird.

Des Weiteren wird erörtert, inwieweit eine Fokussierung der Innovationsförderung auf die Spitzentechnologie zielführend ist und ob andere Technologiefelder und Formen von Innovationen gleichberechtigte oder sogar vorrangige Schwerpunkte der Innovationspolitik bilden sollten. Denn gemessen an der Wertschöpfung und Beschäftigung bilden Spitzentechnologiebereiche nicht nur in Deutschland, sondern in allen Ländern ein sehr kleines Segment der Wirtschaft, während traditionelle Technologiefelder, nicht forschungsintensive Industriebranchen und vor allem der Dienstleistungssektor wesentlich höhere Gewichte haben. Gleichzeitig spielen auch in diesen Sektoren Innovationen und die Anwendung neuer Technologien für die Wettbewerbsfähigkeit eine große Rolle. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob es in diesen Sektoren einen staatlichen Interventionsbedarf gibt und in welcher Form der Staat Innovationen und neue Technologien fördern sollte.

Der vorliegende Aufsatz stellt die erweiterte schriftliche Fassung einer Präsentation dar, die im November 2010 im BMBF gegeben wurde.

Rammer, Christian (2011), Bedeutung von Spitzentechnologien, FuE-Intensität und nicht forschungsintensiven Industrien für Innovationen und Innovationsförderung in Deutschland, ZEW-Dokumentation Nr. 11-01, Mannheim

Autoren/-innen Christian Rammer