Öffentliche Beschaffung kann Innovationen beschleunigen

Forschung

Wenn öffentliche Ausschreibungen sich ausdrücklich mit der Entwicklung neuer Technologien befassen, kann dies die Innovationstätigkeit von Unternehmen erhöhen.

Die öffentliche Beschaffung in Deutschland ist ein erfolgreiches Instrument, um die Einführung innovativer Produkte und Dienstleistungen von Unternehmen zu fördern. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), Mannheim, zusammen mit der KU Leuven und der Universität Maastricht. Wenn Ausschreibungen im öffentlichen Sektor direkt auf die Entwicklung neuer Technologien abzielen, kann damit insgesamt die Innovationsfähigkeit deutscher Unternehmen erhöht werden.

Die Möglichkeiten dafür zu schaffen, war ein Ziel der Vergaberechtsnovelle im Jahr 2009. Durch deren Umsetzung ist Deutschland in der öffentlichen Beschaffung zu einem Vorreiter innerhalb der Europäischen Union geworden. Zuvor machten es die bestehenden Vergaberegeln schwierig, den Innovationsgrad eines Produkts oder einer Dienstleistung als Auswahlkriterium in der Beschaffung mit einzubeziehen.

Durch die Einführung des sogenannten „Public Procurement of Innovation“ (PPI) mit der Gesetzesreform von 2009 sollte deshalb gezielt die Entwicklung von innovativen Produkten und Dienstleistungen gefördert und gleichzeitig die Nachfrage der deutschen Wirtschaft danach stimuliert werden. PPI bezieht sich in diesem Zusammenhang auf Ausschreibungen, die die Entwicklung von Innovationen als verbindliches Vergabekriterium beinhalten. Die Ergebnisse der Studie geben nun Aufschluss darüber, wie effektiv PPI den Innovationserfolg beeinflusst.

Auf Basis von Daten des Mannheimer Innovationspanels (MIP), der seit 1993 jährlich durchgeführten Innovationserhebung des ZEW, das Informationen zu mehr als 20.000 Unternehmen umfasst, haben die Wissenschaftler den Anteil innovativer Produkte und Dienstleistungen am Gesamtumsatz von 3.410 deutschen Unternehmen im Jahr 2012 untersucht. Dabei wurde der Einfluss von öffentlichen Beschaffungsaufträgen, die ausdrücklich die Durchführung von Innovationsaktivitäten als Zuschlagskriterium enthalten, auf den Anteil von innovativen Produkten und Dienstleistungen am Unternehmensumsatz geschätzt.

Öffentliche Aufträge tragen zur Umsatzsteigerung von Unternehmen bei

Im Ergebnis zeigt sich, dass PPI den Umsatz von Unternehmen steigern kann, die einen derart ausgestalteten öffentlichen Auftrag gewinnen. Im Jahr 2012 belief sich die Umsatzsteigerung dieser Unternehmen auf insgesamt 13 Milliarden Euro, was 0,37 Prozent des deutschen Bruttoinlandsprodukts entspricht. Der Effekt ist dabei nicht auf eine Erhöhung der Staatsausgaben zurückzuführen, da diese im selben Zeitraum nicht signifikant angestiegen sind. Zugleich belegt die Studie, dass keine vergleichbaren positiven Effekte für Beschaffungsaufträge ohne innovationsrelevante Zuschlagskriterien zu beobachten sind.

Allerdings zeigen die Ergebnisse der Studie auch, dass der Anteil von Marktneuheiten im Zusammenhang mit PPI gering geblieben ist. Vielmehr wurden häufig inkrementelle beziehungsweise stufenweise Innovationen entwickelt, die nicht vollkommen neu im Markt sind, sondern eine Weiterentwicklung bereits existierender Produkte darstellen. Zwar ist die Entwicklung dieser Produkte deutlich risikoärmer und sie sind weniger fehleranfällig. Insgesamt machen die Wissenschaftler jedoch deutlich, dass insbesondere im öffentlichen Sektor eine höhere Risikobereitschaft und besseres Risikomanagement angestrebt werden sollte.

Öffentliche Beschaffer sind noch sehr risikoscheu

„Öffentliche Beschaffer können für Fehler im Beschaffungsprozess direkt verantwortlich gemacht werden. Von einer erfolgreichen öffentlichen Beschaffung von Innovationen profitiert jedoch die Allgemeinheit. Damit steht ein großes individuelles Risiko für die beschaffende Behörde im Missverhältnis zum Nutzen, der sich auf eine breite Interessensgruppe verteilt. Das führt dazu, dass im öffentlichen Beschaffungswesen noch immer eine hohe Risikoaversion herrscht“, argumentiert ZEW-Forschungsprofessor Prof. Dr. Dirk Czarnitzki von der KU Leuven.

Auch die EU hat 2014 ihre Vorschriften zur öffentlichen Auftragsvergabe nach deutschem Vorbild überarbeitet. „Obwohl derzeit die Umsetzung der neuen EU-Vergaberichtlinien in nationales Recht noch stockt, erwarten wir, aufgrund der Erfahrungen in Deutschland, einen positiven Wachstumseffekt auch in anderen Mitgliedstaaten“, ergänzt Dirk Czarnitzki.

Die Ergebnisse der Studie besitzen durchaus Gültigkeit auch über die Grenzen der EU hinaus. Die Wissenschaftler betonen, dass es in vielen anderen Ländern, die Mitglied in der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) sind, nach wie vor regulatorische Hindernisse gibt, wenn es darum geht, die Entwicklung von Innovationen in das öffentliche Beschaffungswesen zu integrieren. Damit bleibt der strategische Einsatz von PPI als politisches Instrument bislang international begrenzt.

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Prof. Dr. Dirk Czarnitzki, Telefon +32 16 32 69 06, E-Mail dirk.czarnitzki@kuleuven.be