Neues Energieeffizienz-Label der EU bremst Absatz an Strom sparenden Geräten

Forschung

Die EU-Kommission nimmt einen zweiten Anlauf, ein neues Energieeffizienz-Label für Elektrogeräte einzuführen. Es soll die europäischen Verbraucher verstärkt zum Kauf Strom sparender Geräte anregen. Es spricht allerdings einiges dafür, dass dieses Ziel auch im zweiten Anlauf verfehlt wird. Denn klebt auf dem Gerät das neue statt des bisherigen Energieeffizienz-Kennzeichens, verliert ein sparsamer Stromverbrauch bei der Kaufentscheidung deutlich an Gewicht. Auch nimmt die Bereitschaft der Konsumenten ab, für ein besonders Strom sparendes Elektrogerät tiefer in die Tasche zu greifen, wenn es mit dem neuen Label gekennzeichnet ist.

Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie von Stefanie Heinzle und Rolf Wüstenhagen (Universität St. Gallen) im Rahmen des Forschungsprojekts SECO@home (mehr Informationen am Ende der Pressemitteilung) unter Federführung des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim. Sie vergleicht anhand entsprechend gekennzeichneter TV-Geräte die Wirkung auf Konsumenten, die vom derzeit üblichen Label ausgeht, mit der Wirkung des neuen Energieeffizienz-Etiketts.

Die Studie basiert auf 2.244 Wahlentscheidungen, die durch die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) erhoben wurden. Die befragten Konsumenten wurden in zwei gleich starke Gruppen geteilt, die ähnliche sozioökonomische Merkmale wie Einkommen, Alter und Geschlecht aufwiesen. In einer computergestützten Simulation hatten die Umfrageteilnehmer die Wahl, verschiedene TV-Geräte zu kaufen. Die Geräte unterschieden sich hinsichtlich der technischen Ausstattung, der Marke, des Preises und schließlich des Energieverbrauchs. Diesen konnten die Testpersonen der ersten Gruppe anhand des bislang handelsüblichen Kennzeichens zur Energieeffizienz erkennen, also der Energieeffizienzklassen A bis G. Dabei steht ein dunkelrotes G für den stärksten Stromverbrauch, ein dunkelgrünes A signalisiert dem Verbraucher das effizienteste Gerät (siehe Abbildung am Ende der Pressemitteilung). Für die Probanden der zweiten Gruppe dokumentierte das nun von der EU Kommission vorgeschlagene Etikett den Stromverbrauch. Es ergänzt die Energieeffizienzklassen A bis D um die Kategorien A+, A++ und A+++, wobei A+++ nun die effizientesten Geräte klassifiziert.

Die Ergebnisse zeigen, dass die Konsumenten, die sich zwischen Geräten mit dem neuen Kennzeichen entscheiden müssen, dem Stromverbrauch deutlich weniger Gewicht bei der Kaufentscheidung einräumen als die Konsumenten der ersten Gruppe. Zwar ist in beiden Gruppen der Preis des Fernsehers das wichtigste Kaufkriterium, dann erst folgen die Energieeffizienz, die technische Ausstattung und die Marke des Fernsehers. Die Berechnungen der Wissenschaftler machen jedoch unmissverständlich deutlich, dass in der Gruppe mit dem Kennzeichen G bis A der Stromverbrauch einen um über zehn Prozentpunkte stärkeren Einfluss auf die Kaufentscheidung der Konsumenten hatte als in der Gruppe mit dem um A+ bis A+++ erweiterten Label. In dieser Gruppe dagegen hatte der Preis des Gerätes einem um über acht Prozentpunkte größeren Einfluss auf die Konsumenten als in der Gruppe mit dem bislang üblichen Etikett.

Auch die Bereitschaft, für einen Energie sparenden Fernseher tiefer ins Portemonnaie zu greifen, war bei den Konsumenten der ersten Gruppe deutlich höher als bei denjenigen, die Geräte mit dem neuen Label zur Auswahl hatten. In der ersten Gruppe waren die Verbraucher bereit, einen Preisaufschlag von im Schnitt 133 Euro zu bezahlen, um statt eines Geräts mit Energieeffizienz-Label B ein Gerät der Energieeffizienzklasse A zu erhalten. Die Konsumenten der zweiten Gruppe akzeptierten dagegen nur einen Preisaufschlag von 49 Euro, um ein TVGerät der Energieeffizienzklasse A+++ statt eines der Klasse A++ zu erwerben. Demnach nimmt die Zahlungsbereitschaft der Verbraucher für Energie sparende Geräte ab, die Präferenzen der Kunden verschieben sich stattdessen hin zu möglichst günstigen Geräten.

Schon der erste Vorschlag zur Revision des Labels war ein Fehlschlag

Diese Ergebnisse entsprechen im Wesentlichen den Resultaten einer Studie, die Heinzle und Wüstenhagen bereits im vergangenen Jahr vorgelegt haben. Darin hatten sie den ersten Vorschlag der EU Kommission zur Revision des Labels untersucht. Dieser sah ebenfalls die Einführung neuer, zusätzlicher Kategorien vor, die seinerzeit mit A-20%, A-40% und A-60% bezeichnet werden sollten. Schon diese erste Befragung zeigte, dass die neuen Kategorien die Wirkung des Labels verwässert haben und die Konsumenten klar dem bestehenden A bis G System den Vorzug geben. Der Vorschlag wurde daraufhin von der Europäischen Kommission zugunsten der A+ bis A+++ Skala zurückgezogen. Die Ergebnisse der neuen Studie zeigen nun, dass der jetzt vorgeschlagene Kompromiss nicht besser ist als die erste Vorlage.

"Beide Revisionsvorschläge laufen dem Ziel des Labels zuwider, nämlich den Stellenwert der Energieeffizienz bei der Kaufentscheidung zu erhöhen. Durch beide Vorschläge, also die Ergänzung um A+ bis A+++ sowie die Erweiterung um A-20% bis A-60%, wird das Label voraussichtlich erheblich an Einfluss verlieren. Das erschwert es den innovativen Herstellern, sich mit energieeffizienten Produkten am Markt zu profilieren," sagt
Wüstenhagen.

Der Koordinator des Forschungsprojekts, Dr. Klaus Rennings vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim ergänzt: "Der technische Fortschritt hat dazu geführt, dass immer mehr Geräte mit der höchsten Effizienzklasse ausgezeichnet werden. Dadurch streut der tatsächliche Stromverbrauch der einzelnen Geräte in den oberen Effizienzklassen sehr stark. Das neue Label verdeckt diese Unterschiede, denn der Verbraucher geht zu Recht davon aus, dass ein A-Label eine besondere Leistung darstellt, vergleichbar der Note Sehr Gut in der Schule. Wieso sollte er also für einen A+++-Fernseher wesentlich mehr Geld ausgeben als für einen einfachen A-Kühlschrank?"

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Dr. Klaus Rennings, Telefon: 0621/1235-207, E-Mail: rennings@zew.de