Geplante Neuregelung der Erbschaftsteuer räumt Kritik des Bundesverfassungsgerichts weitgehend aus

Forschung

Die Frist, die das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber gesetzt hatte, um eine neue gesetzliche Grundlage für die Erbschaftsteuer zu schaffen, ist am 30. Juni 2016 ausgelaufen. Ein Kompromiss schien nach vielen Zwischenschritten gefunden. Doch jetzt ist auch dieser wieder gefährdet, denn er könnte im Bundesrat scheitern. Doch auch wenn dieser zustimmt, bleibt die Frage, ob der jetzt vorliegende Entwurf denn vor dem Bundesverfassungsgericht bestehen könnte. In einer Analyse ist das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) Mannheim dieser Frage nachgegangen.

Anhand einheitlicher Kriterien wurden die vielfältigen Vorschläge seit dem Urteilgenauer untersucht mit dem Ergebnis, dass der aktuell vorliegende Vorschlag der Koalitionspartner in vielerlei Hinsicht eine Entlastung für die Unternehmen gegenüber früheren Entwürfen bedeutet. Nachteilig ist er allerdings für sehr große Betriebsvermögen. Die vom Bundesverfassungsgericht festgestellten Kritikpunkte sehen die Forscher zum großen Teil ausgeräumt.

Kritik geübt hatte das Gericht im Wesentlichen in drei Punkten: an dem umfassenden Verschonungsabschlag für Betriebsvermögen (Regelfall: 85 Prozent; optional: 100 Prozent), unabhängig von der Unternehmensgröße und individueller Bedürfnisfeststellung; an der zu hohen Anzahl der Mitarbeiter für die Anwendung der Lohnsummenregel sowie an der unverhältnismäßig hohen Grenze von bis zu 50 Prozent für Verwaltungsvermögen. Auf Grundlage des jetzt vorliegenden Koalitionskompromisses kommt die ZEW-Analyse zu dem Schluss, dass der Gesetzgeber mit seinen Reformüberlegungen auf die Kritik des Bundesverfassungsgerichts eingegangen ist und zumindest hinsichtlich zwei der drei zentralen Kritikpunkte einen verfassungskonformen Regelungsentwurf ausgearbeitet haben dürfte.

Der Anwendungsbereich für die Lohnsummenregel wurde von ursprünglich 20 Mitarbeitern auf fünf reduziert. Betriebe über dieser Grenze müssten folglich in Zukunft nachweisen, dass die Lohnsumme im Betrieb weitgehend gleich geblieben ist, um eine entsprechende Verschonung bei der Erbschaftsteuer zu erhalten. Die Grenze für den Verwaltungsvermögensanteil würde nach den derzeitigen Vorstellungen von 50 Prozent auf zehn Prozent reduziert, sodass die Verschonungswürdigkeit von Betriebsvermögen dadurch deutlich strenger geregelt ist. Positiv zu bewerten ist an der jetzt vorliegenden Lösung die Beibehaltung des Konzepts zur Bestimmung des Verwaltungsvermögens. Die in früheren Vorschlägen geplante Unterscheidung nach dem Hauptzweck hätte ansonsten zu erheblichen Abgrenzungsproblemen und administrativem Mehraufwand geführt.

Intensiver haben sich die ZEW-Forscher mit der Entwicklung der Verschonungsregelungen für große Betriebsvermögen in den verschiedenen Entwürfen beschäftigt. Die nun beabsichtigte Änderung des Kapitalisierungsfaktors aufgrund der anhaltenden Niedrigzinsphase führt zu einer impliziten Erhöhung der im derzeitigen Entwurf vorgesehenen Freigrenze von 26 Millionen Euro. Dadurch können auch Unternehmen mit einem derzeitigen Unternehmenswert von rund 37,14 Millionen Euro in den Genuss einer Vollverschonung bei der Erbschaftsteuer kommen. Hinzu kommt speziell für Familienunternehmen ein Steuerabschlag von bis zu 30 Prozent, durch den sich die Freigrenze effektiv noch weiter erhöht.

Im Vergleich zu früheren Entwürfen, die für sehr große Betriebsvermögen einen pauschalen Verschonungsabschlag von 40 Prozent bzw. 35 Prozent vorsahen, fehlt es im aktuellen Gesetzentwurf allerdings an einer ähnlichen Regelung. Erben von Unternehmen mit einem derzeitigen Unternehmenswert von 128,57 Millionen Euro (Familienunternehmen: 183,7 Millionen Euro) können nur noch die erweiterten Stundungsregelungen oder die Möglichkeit des (Teil-)Erlasses in Anspruch nehmen.

Inwieweit das nun gewählte Verfahren zur Besteuerung großer Betriebsvermögen den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts entspricht, lässt sich noch nicht abschließend beurteilen. Im Urteil wurde dem Gesetzgeber jedoch ein großer Spielraum für die Abgrenzung großer Betriebsvermögen zugesprochen, indem zum Beispiel auf die Einteilung der Größenklassen bei der Europäischen Kommission verwiesen wurde.

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