Deutsch-französischer Konsens für mehr Europa bei Verteidigung und Einwanderung

Forschung

Deutsche und französische Parlamentsabgeordnete stimmen darin überein, dass größere staatliche Investitionsausgaben zu mehr Wachstum in der Eurozone führen würden.

Parlamentarier in Deutschland und Frankreich sind offen für mehr EU-Kompetenzen im Bereich Einwanderung und Verteidigung. Wenig Übereinstimmung zwischen den Parlamenten existiert hingegen mit Blick auf Reformideen für die Eurozone. Gemeinschaftliche Haftung über Eurobonds oder eine europäische Arbeitslosenversicherung sind bei Frankreichs Politikern populär, nicht aber bei ihren deutschen Kollegen. Einig sind sich die Parlamentarier darin, dass höhere Investitionsausgaben der Mitgliedstaaten das Wachstum in der Eurozone erhöhen könnten. Dies belegt eine Studie, die das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) heute in Brüssel vorstellt.

Gemeinsam mit der Pariser École Polytechnique und der Universität Mannheim hat das ZEW den Deutschen Bundestag und in Frankreich die Nationalversammlung sowie den Senat befragt. 232 Parlamentarier aus beiden Ländern haben sich zwischen April und Juli 2016 an der Umfrage beteiligt. Insgesamt zeigen sich französische Politiker/innen eher als ihre deutschen Kollegen/-innen bereit, Zuständigkeiten nach Brüssel zu verlagern. Dies gilt für mehr EU-Kompetenzen in den Bereichen Steuern, Löhne oder Arbeitsmarktpolitik, die in Berlin auf deutlich mehr Ablehnung als in Paris stoßen.

Klar unterschiedlich positionieren sich die nationalen Parlamente beider Länder auch zu Reformfragen der Eurozone. Vorschläge, die wie Eurobonds oder eine gemeinsame Arbeitslosenversicherung auf mehr europäische Solidarität hinauslaufen, stoßen in Nationalversammlung und Senat mehrheitlich auf Sympathie, aber nicht im Bundestag. „Mit Blick auf die ungünstigere Arbeitsmarkt- und Finanzlage ihres Landes erhoffen sich die Abgeordneten in Frankreich vermutlich einen Nettonutzen für ihr Land durch mehr Solidarität“, so die Einschätzung von Prof. Dr. Friedrich Heinemann, Koautor der Studie und Leiter des ZEW-Forschungsbereichs „Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft“.

Die aktuelle Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) wird ebenfalls in Paris und Berlin sehr unterschiedlich bewertet: Französische Abgeordnete begrüßen die aktuellen Wertpapierkäufe der EZB, während viele Bundestagsabgeordnete skeptisch sind. Bei den strittigen Themen verläuft der deutsch-französische Graben oft quer durch die Parteifamilien. Zum Beispiel ist die Ablehnung von Eurobonds bei den Abgeordneten der Union im Bundestag besonders ausgeprägt, während die französischen Konservativen bei diesem Konzept unentschieden sind. Übereinstimmung zeigt sich zwischen den Parlamentariern beider Länder allerdings auch in der gemeinsamen Überzeugung, dass die Staaten der Eurozone ihr Wirtschaftswachstum durch höhere Ausgaben für Investitionen ankurbeln könnten.

Die Befragung zeigt insgesamt recht deutlich, wo es Chancen für neue deutsch-französische Initiativen zur Reform der EU in der Zeit nach dem Brexit gibt und wo nicht. „Eine durchgreifende Reform der Eurozone ist aufgrund des fehlenden Grundkonsenses der beiden größten Euro-Länder wohl kaum zu erwarten. Hingegen haben neue Integrationsideen in den Bereichen Verteidigung und Immigration einen eindeutigen deutsch-französischen Rückhalt“, bilanziert Friedrich Heinemann die Ergebnisse der Parlamentarierbefragung.

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Prof. Dr. Friedrich Heinemann, Telefon 0621/1235-149, E-Mail heinemann@zew.de