Im Jahr 2012 wurde das Gemälde "Der Schrei" von Edvard Munch für den damaligen Rekordpreis von fast 120 Millionen Dollar bei Sotheby’s versteigert. Wie bei Kunstauktionen üblich, wurde eine sogenannte Englische Auktion durchgeführt, die mit einem Mindestgebot startet. Sie endet, sobald kein anderer mehr den Höchstbietenden übertreffen möchte. Das Ergebnis der Auktion wirft allerdings die Frage auf: Wäre der Käufer auch bereit gewesen, mehr zu bezahlen, wenn seine Mitbieter nicht bei 120 Millionen Dollar ausgestiegen wären? Oder anders formuliert: Hätte das Gemälde bei einer Auktion mit anderen Regeln einen noch höheren Preis erzielen können? Mit diesen und verwandten Fragen beschäftigt sich die junge ökonomische Disziplin des Marktdesigns.

Ziel des Marktdesigns ist es, individuelle Märkte, wie etwa Auktionsmärkte, nicht nur zu analysieren, sondern aktiv zu gestalten. Dabei bedient sich Marktdesign einerseits wirtschaftswissenschaftlicher Methoden, wie beispielsweise der Spieltheorie und der Verhaltensökonomik. Anderseits ist Marktdesign aufgrund der Komplexität realer Märkte im Kern interdisziplinär ausgelegt und bringt Wirtschaftswissenschaftler mit Informatikern, Psychologen und Ingenieuren zusammen.

Daraus ergeben sich vielseitige Anwendungsmöglichkeiten. So agiert der Staat an vielen Stellen als Gestalter von Märkten, sei es bei der Versteigerung von Mobilfunkfrequenzen, bei der Vergabe öffentlicher Aufträge, beim Emissionshandel oder bei Ausschreibungen für die Förderung erneuerbarer Energien. Aber auch in Bereichen, die gemeinhin nicht als Markt aufgefasst werden, da die Teilnehmer kein Geld austauschen, leistet Marktdesign wichtige Beiträge. Beispiele sind die Vergabe von Kindergarten-, Schul- und Studienplätzen, aber auch die Zuteilung von Spenderorganen. Auf diesen sogenannten "Matching-Märkten" sorgt Marktdesign dafür, dass Teilnehmer optimal zusammenfinden. Fortschritte im Marktdesign haben beispielsweise dazu geführt, dass in den USA eine einzelne Spenderniere nicht mehr nur ein Leben, sondern zahlreiche weitere retten kann. Dies ist der Fall, wenn die Spenderniere das fehlende Glied einer Organspendenkette zwischen inkompatiblen Spender-Empfänger-Paaren ist.

Perspektivenwechsel in der Ökonomie

Marktdesign beruht auf einem Perspektivenwechsel in der Wirtschaftswissenschaft. Details und Friktionen realer Märkte werden in der Analyse nicht mehr ausgespart. Im Gegenteil: Es ist entscheidend, die Implikationen solcher Besonderheiten auf einem realen Markt zu verstehen, um dessen Regeln optimal darauf abzustimmen.

Um zu verstehen, welchen Unterschied gutes Marktdesign machen kann, hilft ein Blick auf die erwähnte Kunstauktion. Als Gedankenexperiment stelle man sich vor, der Käufer des Bildes wäre bereit gewesen, bis zu 160 Millionen Dollar zu zahlen und der Auktionator hätte nicht mit einem niedrigen, sondern mit einem hohen Preis begonnen, um ihn dann schrittweise zu senken, anstatt zu erhöhen. Bei diesem Verfahren erhält der erste Bieter, der den angezeigten Preis akzeptiert, den Zuschlag – eine sogenannte Holländische Auktion, die beispielsweise zum Verkauf von Blumen auf dem Großmarkt verwendet wird. Hätte der Käufer mit der Zahlungsbereitschaft von 160 Millionen Dollar gewartet, bis der Preis auf 120 Millionen Dollar gefallen wäre, oder wäre er früher nervös geworden, etwa bei 150 Millionen Dollar? Unter anderem die Risikoaversion des Bieters wird hier zu einem relevanten Faktor.

Marktdesign als Methode zur Optimierung realer Märkte ist in Deutschland ausbaufähig. Viele Märkte, die den Austausch von Geld zulassen, können von den Instrumenten des Marktdesigns profitieren: Man denke etwa an die öffentliche Beschaffung oder an Auktionen von Staatsanleihen. Insbesondere im Bereich der "Matching-Märkte" besteht ein enormes Potenzial. Die alljährlichen Klagen der Studierenden über die Zulassungsverfahren der Universitäten oder die verzweifelte Suche von Eltern nach einer geeigneten Kita für ihre Kinder deuten auf Zuteilungsprobleme hin, die durch ein geeignetes Marktdesign erheblich entschärft werden könnten.

Dieser Beitrag ist in einer längeren Fassung am 5. September 2016 in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" erschienen.