Noch herrscht große Zurückhaltung beim Einsatz der Servicerobotik in der Wirtschaft

Nachgefragt

Übernimmt Künstliche Intelligenz bald die Kundenbetreuung? Die Diskussion um Automatisierung konzentriert sich sehr stark auf den Einsatz der Robotik in der Produktion. Die Servicerobotik, die auf Künstlicher Intelligenz basiert, ermöglicht aber auch die Automatisierung in komplexeren Umgebungen wie etwa in der Kundenbetreuung. Prof. Dr. Irene Bertschek, Leiterin des Forschungsbereichs „Digitale Ökonomie“ am Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), Mannheim, spricht über deskriptive Evidenz zum Einsatz der Servicerobotik in der deutschen Informationswirtschaft. Die Forschungsergebnisse dazu sind in Kooperation des ZEW-Teams mit Prof. Dr. Martin Przewloka (Philipps-Universität Marburg) entstanden.

Roboter in Fabrikhallen sind heutzutage kein befremdliches Bild mehr. Aber wie sieht es im Dienstleistungsbereich aus?

In der Tat ist die Diskussion um Automatisierung stark auf die Produktion fokussiert. Serviceroboter oder digitale Assistenten ermöglichen auch die Automatisierung von Dienstleistungen, indem sie eigenständig und intelligent Dienste verrichten, zum Beispiel Kundenanfragen beantworten, Bestellungen transportieren oder die Sicherheit überwachen. Dabei muss ein Serviceroboter nicht unbedingt humanoide Züge aufweisen, sondern kann, beispielsweise bei der Beantwortung von Kundenanfragen, ein sprachgesteuertes Computerprogramm sein. Die technologische Grundlage für die Servicerobotik ist die künstliche Intelligenz. Sie ermöglicht die Verrichtung von Diensten und das Hinzulernen durch Erfahrung, so dass lernende Roboter durch Verwertung von Informationen intelligenter werden und ihre Aufgaben immer effizienter und zuverlässiger ausüben.

Welche Branchen setzen digitale Assistenten bisher ein?

In einer Unternehmensbefragung in der Informationswirtschaft, die die Branchen Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT), Mediendienstleistungen und wissensintensive Dienstleistungen umfasst, haben wir nach dem Einsatz der Servicerobotik gefragt. Es zeigt sich, dass bislang lediglich knapp zwei Prozent der Unternehmen in diesem Wirtschaftszweig Servicerobotik einsetzen. Weitere fünf Prozent planen den neuen Einsatz oder eine Ausweitung des Einsatzes in den kommenden fünf Jahren. Vorreiter ist die ohnehin technologieaffine IKT-Branche, in der bereits über fünf Prozent der Unternehmen Serviceroboter nutzen und mehr als zwölf Prozent planen, dies bis in fünf Jahren zu tun. Das ist auch die Branche, die den Einsatz digitaler Assistenz künftig am ehesten für notwendig hält.

Welche Ziele werden mit dem Einsatz digitaler Assistenten verfolgt?

Mögliche Ziele reichen von Marketing- und Imageeffekten über Qualitätssteigerungen bis hin zur Steigerung von Effizienz, Produktivität und Flexibilität. Aber, wie bei der Industrierobotik, geht es auch um die Frage, ob Serviceroboter als Assistenten menschliche Arbeit unterstützen oder ob sie diese ersetzen. Im Kontext der Automatisierung und Computerisierung hat sich gezeigt, dass Routineaufgaben durch Technologie eher ersetzt, komplexere Aufgaben eher unterstützt werden. Die Substitution von menschlicher Arbeit durch Serviceroboter kann sich die IKT-Branche deutlich besser vorstellen als der Durchschnitt der Informationswirtschaft: Knapp 30 Prozent der Unternehmen in der Informationswirtschaft können sich dies vorstellen und über 40 Prozent der IKT-Unternehmen.

Wie steht es um die gesellschaftliche Akzeptanz? Scheuen sich bestimmte Unternehmen oder Branchen vor dem Einsatz?

Digitale Assistenten wie Google Home oder Amazon Alexa halten bereits Einzug in private Haushalte. Inwiefern Menschen in der Rolle als Kunden/-innen gerne digital betreut werden, hängt nicht zuletzt von der nachgefragten Dienstleistung ab. Die Unternehmen der Informationswirtschaft sind zum Großteil der Meinung, dass ihre Kunden/-innen ausschließlich eine Betreuung durch Menschen erwarten. Weitere 16 Prozent der Unternehmen würden Servicerobotik nur dann einsetzen, wenn die Kunden/-innen nicht mehr unterscheiden können, ob sie von einem Menschen oder von einem Roboter bedient werden. Am wenigsten vorstellbar ist der Einsatz digitaler Assistenten in der Kundenbetreuung bei den wissensintensiven Dienstleistern. Zu komplex scheinen die Tätigkeiten in der Rechtsberatung, der Architektur oder in Werbung und Marktforschung zu sein als dass man sie automatisieren könnte. Noch herrscht also große Zurückhaltung beim Einsatz der Servicerobotik in der deutschen Wirtschaft. Jedoch können technologische Verbesserungen auf der einen Seite und der demografische Wandel auf der anderen Seite dazu beitragen, die Akzeptanz der digitalen Assistenten zu erhöhen. In Asien ist man der Servicerobotik gegenüber deutlich aufgeschlossener. Hier stoßen auch Anwendungen im Bereich der Pflege auf eine vergleichsweise hohe Akzeptanz.