Es ist zu begrüßen, dass Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel eine Expertenkommission beauftragt hat, Vorschläge für die Stärkung von Investitionen in Deutschland zu machen. Ob es in Deutschland wirklich eine signifikante Investitionslücke gibt, ist zwar umstritten, die große Bedeutung privater und öffentlicher Investitionen für die wirtschaftliche Zukunft liegt aber auf der Hand. Der Bericht, den die Expertenkommission jetzt vorgelegt hat, ist allerdings enttäuschend.

Erstens sind die Experten offenbar an die kurze Leine gelegt worden. Zentrale Fragen der Investitionspolitik werden nicht beantwortet: Vor allem bleibt unklar, ob höhere öffentliche Investitionen durch Steuererhöhungen, mehr Staatsschulden oder geringeren staatlichen Konsum bezahlt werden sollen. Wenn privates Kapital mobilisiert werden soll, was die Kommission befürwortet, müssen die Projekte Einnahmen erzielen.

Bei Autobahnen etwa können Nutzergebühren erhoben werden. Unter Fachleuten besteht seit langer Zeit weitgehende Einigkeit darüber, dass eine auslastungsabhängige Maut für alle Kraftfahrzeuge der richtige Weg ist. Die Kommission beschränkt sich aber darauf, eine Ausdehnung der Lkw-Maut auf kleinere Lastwagen und Bundesstraßen zu fordern, während bei Pkw Mehrbelastungen ausgeschlossen sein sollen. Verkehrs- und umweltpolitisch ist diese Ausnahme nicht sinnvoll. Eine wichtige Funktion einer auslastungsabhängigen Maut besteht darin, zu Hauptverkehrszeiten höhere Preise zu verlangen und dadurch Staus zu verhindern. Dass Mehrbelastungen für Autofahrer unpopulär sind, mag sein. Aber mehr Nutzerfinanzierung zu fordern und die wichtigste Nutzergruppe davon auszunehmen, überzeugt nicht.

Zweitens sind einige Vorschläge finanzpolitisch abwegig. Zwar kritisiert die Expertenkommission zu Recht, dass in Zeiten knapper Kassen Investitionen meistens zuerst und überproportional gekürzt werden. Langfristig droht dadurch ein Verfall der öffentlichen Infrastruktur. Um das zu beheben, wird eine neue finanzpolitische Regel vor geschlagen, nach der ,unerwartete‘ Steuermehreinnahmen in Investitionen fließen sollten. Das ist nicht sinnvoll, weil die Fiskalpolitik dadurch prozyklisch wird, also Konjunkturschwankungen verstärkt. Nicht verplante Mehreinnahmen wie derzeit entstehen in wirtschaftlich guten Zeiten, während die Steuereinnahmen im Abschwung oft stärker als erwartet und eingeplant einbrechen. In Wirtschaftskrisen sollte der Staat mehr investieren. In Boomzeiten, wenn die Unternehmen genug zu tun haben, müssen Überschüsse Schulden tilgen.

Eine dritte Schwäche des Berichts liegt darin, dass wesentliche steuerliche Investitionshindernisse vernachlässigt werden, offenbar auf Druck der Gewerkschaften. So wird über die mangelnde Verrechenbarkeit von Verlusten oder die steuerliche Diskriminierung des Eigenkapitals fast nichts gesagt. Stattdessen kommen so ulkige Aussagen wie die, dass zu verlässlichen Rahmenbedingungen für private Investitionen Maßnahmen zur Stärkung der privaten Nachfrage gehören – auch hier ist die Handschrift der Gewerkschaften unverkennbar. Immerhin spricht der Bericht durchaus einige wichtige Reformfelder an, beispielsweise die Notwendigkeit, den Zugang von jungen und innovativen Unternehmen zum Kapitalmarkt zu verbessern.

Welche Schlüsse wird die Politik aus dem Kommissionsbericht ziehen? Gefährlich ist sicherlich, dass durch die Einbindung privater Investoren und die Verlagerung von Infrastrukturinvestitionen in halböffentliche Unternehmen Schattenhaushalte entstehen, in denen öffentliche Verschuldung versteckt und der parlamentarischen Kontrolle und öffentlichen Debatte entzogen wird. Der Kommissionsbericht fordert hier eine saubere Abgrenzung. Ob die Politik dem folgt, muss sich zeigen. Eine positive Wirkung der Kommissionsarbeit könnte darin bestehen, dass die heute stark auf Umverteilungspolitiken konzentrierte Debatte sich wieder mehr der Frage zuwendet, wie Wirtschaftswachstum und Wohlstand in Deutschland gesteigert werden können.

Dieser Beitrag ist unter der Überschrift "Experten an die kurze Leine gelegt" zuerst in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung am 21. April, Seite 17, erschienen.