Der Europäische Fiskalrat muss sich weiterentwickeln

ZEW Lunch Debate in Brüssel

Auf dem Podium (v.l.): Xavier Debrun, Niels Thygesen, Friedrich Heinemann und Moderatorin Maithreyi Seetharaman.

Die Europäische Union und ihre Organe genießen nicht unbedingt den Ruf, Entscheidungen schnell zu treffen und umzusetzen. Mit dem Beschluss für die Schaffung eines neuen Europäischen Fiskalrats („European Fiscal Board“, kurz EFB) im Oktober 2015, hatte es die EU-Kommission allerdings eilig. Bereits ein Jahr später nahm der EFB seine Arbeit auf. Das beratende Gremium soll vor allem die Implementierung des Fiskalpakts überwachen, eng mit den nationalen Fiskalräten zusammenarbeiten und die EU-Kommission regelmäßig über Zustand und Entwicklung der Fiskalpolitik auf europäischer und nationalstaatlicher Ebene informieren. Arbeitet der EFB dabei tatsächlich so unabhängig wie geplant? Hat er sich in den Monaten seit seiner Gründung als effektiv erwiesen oder wurde die Brüsseler Bürokratie lediglich um einen weiteren Apparat bereichert? Und welche Bedeutung soll und muss dem EFB künftig zukommen? Um diese zentralen Fragen ging es bei der ZEW Lunch Debate am 27. April 2017 in der Brüsseler Vertretung des Landes Baden-Württemberg bei der EU.

Prof. Dr. Friedrich Heinemann, Leiter des Forschungsbereichs "Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft" am Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), machte in seiner Präsentation zu Beginn der Veranstaltung deutlich, dass der EFB großes Potenzial birgt und in seiner Wächterfunktion eine Chance verspricht, das komplexe fiskalische Regelwerk der EU praxis- und bürgernah weiterzuentwickeln. Aktuelle Forschungsergebnisse des ZEW zusammen mit internationalen wissenschaftlichen Partnern zum EFB würden jedoch belegen, dass es einige Baustellen gebe.

Konkret müsse der EFB in Sachen Unabhängigkeit von der EU-Kommission sowie bei der Frequenz, Transparenz und in der Kommunikation seiner Berichte nachlegen. "Der EFB sollte eigenständige und feste Beziehungen zum Europäischen Parlament unterhalten und zudem über die Medien aktiv die Öffentlichkeit ansprechen", betonte Heinemann. Zwar sei der EFB dazu konzipiert, quasi als "Wachhund für einen Wachhund" laufend die Effektivität des Stabilitäts- und Wachstumspakts zu überprüfen. Langfristig sei indes durchaus vorstellbar, dass der EFB auch Haushalts- und Budgetentscheidungen der EU überwacht. "Aus wissenschaftlicher Sicht ist es wünschenswert, dass der EFB erfolgreich dabei ist, für mehr Neutralität in fiskalischen Fragen zu sorgen", erklärte Heinemann.

"Eine Institution, die sich selbst weiterentwickelt"

Neben dem ZEW-Ökonom saßen bei der anschließenden Debatte der EFB-Vorsitzende Prof. Dr. Niels Thygesen sowie Xavier Debrun, PhD, Leiter der wissenschaftlichen Abteilung beim Internationalen Währungsfonds (IWF), auf dem Podium. Die Wirtschaftsjournalistin Maithreyi Seetharaman moderierte die Diskussion vor rund 60 Vertreterinnen und Vertretern der EU-Kommission und des EU-Parlaments sowie von Unternehmen und Interessenverbänden.

Xavier Debrun unterstrich zunächst, dass der EFB als Institution noch zu jung sei, als dass sich das vorhandene Potenzial voll entfalten könne. In ein politisch aufgeheiztes Klima hineingeboren, bei dem über die Rolle der Politik als Verantwortliche für den öffentlichen Geldbeutel gestritten würde, sei die Schaffung des EFB zwar die richtige Idee. "Aber ich wünsche mir eine Institution, die sich selbst weiterentwickelt und mehr von dem leistet, zu was sie eigentlich in der Lage ist", so der IWF-Wissenschaftler. Drei Punkte seien dabei von essenzieller Bedeutung: Der EFB müsse unabhängig von der EU-Kommission operieren können, Personalhoheit besitzen und eine offensive Kommunikationsstrategie verfolgen, bei der die Medien zum Einsatz kämen. Um Konflikte auf mehreren Ebenen zu vermeiden, komme dem EFB schließlich eine Schlüsselrolle zu: "Die Institution muss horizontal zwischen den nationalen Fiskalräten und vertikal zwischen der EU und den Mitgliedstaaten für Informationssymmetrie sorgen", so Debrun.

"Budgetfragen sind nicht unser primäres Gebiet"

Niels Thygesen sah sich in der Position, seine Institution zu erklären: "Unser Fokus ruht darauf, dass sich sowohl die europäische Fiskalpolitik im Ganzen als auch die Nationalstaaten nachhaltig entwickeln." Zu diesem Zweck stehe der EFB bereits in ständigem Austausch mit den einzelnen Fiskalräten in den Ländern Europas, auch zahlreiche nationale Regierungen zeigten bereits Interesse an der Arbeit des fünfköpfigen Gremiums. Mit einem Stab von sechs weiteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bestehe daher kein zwingender Grund, schlicht die von der EU-Kommission vertretenen Position zu hofieren. "Wir haben Zugang zu allen relevanten Informationen und können daher fundierte inhaltliche Analysen treffen", so Thygesen. Mit Blick auf Hauhalt und Budget der EU gebe es bereits Überwachungsmechanismus wie etwa die Hochrangige Arbeitsgruppe für Eigenmittel der EU, die sogenannte Monti-Gruppe. "Budgetfragen sind nicht unser primäres Gebiet", erklärte Thygesen. Dennoch sehe er natürlich, dass der EFB bisher mit limitierten Ressourcen ausgestattet sei.

Moderatorin Maithreyi Seetharaman ließ Fragen aus dem Publikum in die Debatte auf dem Podium mit einfließen: Inwiefern kann der EFB dazu beitragen, die Debatte um Europas Fiskalpolitik von der plakativen auf die sachliche Ebene zu holen und zu halten? Wie kann der Austausch mit einer Vielzahl von nationalen Fiskalräten im Tagesgeschäft bewältigt werden? Welchen Einfluss kann der EFB geltend machen, um die Instrumente des Stabilitäts- und Wachstumspakts flexibler zu handhaben? Diese Fragen zeigten, dass die Debatte um Entwicklung und Zukunft des EFB längst nicht abgeschlossen ist.